WiGig

Wofür steht WiGig?

Der WLAN-Standard 802.11ad wird als Wireless Gigabit, kurz WiGig, bezeichnet. Für diesen Standard gibt es bereits den Standard IEEE 802.11ay als Nachfolger, der die vorliegenden Ungenauigkeiten in der Standarddefinition beheben sowie eine weitere Steigerung der Datenrate gewährleisten soll. Dieser Standard wurde in Kooperation der Wireless Gigabit Alliance, die aus einer Vielzahl von Computer- und Computersoftwareherstellern (Intel, Microsoft, Dell, Panasonic) besteht, und der Wi-Fi Alliance erarbeitet.

Ziel ist es, eine Technologie zu entwickeln, für deren Nutzung keine Lizenz erforderlich ist und die die Geschwindigkeit der drahtlosen Konnektivität erhöht, um den Multi-Gigabit-Bereich zu erreichen. Hierbei wird das unlizenzierte 60 GHz-Band genutzt. Bei diesem Standard handelt es sich allerdings um keine typische WLAN-Vernetzung mit Access Point und vielen WLAN-Clients, sondern findet vielmehr Anwendung in der drahtlosen Kommunikation in Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen zwei Geräten mit hohen Datenraten im Gigabit-Bereich. Zur Erreichung dieser hohen Anforderungen hinsichtlich der Datenraten wird auf eine Abwärtskompatibilität zu allen vorhergehenden WLAN-Standards verzichtet.

Wie sehen mögliche Anwendungsgebiete von WiGig aus?

Typische Anwendungen sind Punkt-zu-Punkt Verbindungen im Bereich des Home-Entertainments, die hohe Bandbreiten ohne einen zwischengeschalteten Router, wie sie beispielsweise für VR-Headsets (Virtual Reality), Docking-Stations oder 4K-Videodevices, benötigen. Folglich ist der Anwendungsbereich nicht die Vernetzung von mehreren Rechnern untereinander, sondern die Ad-hoc-Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen Computern und Peripheriegeräten.

Folgende Beispielanwendungen sind denkbar:

  • Drahtlos arbeitende Displays
  • Übertragung von ultra-hochauflösenden Videos vom Smartphone oder Notebook (z.B auf einen SMART-TV)
  • Verbindung zwischen SMART-TV und Mediaplayer (DVD, Blu-ray) oder Computer und Drucker
  • Automatische Synchronisationsverbindungen mit hohem Bandbreitenbedarf zwischen Smartphones und PCs
  • Drahtlose Monitorschnittstellen an PCs, Laptops, Smartphones und Tablets
  • Drahtlose Punkt-zu-Punkt Verbindung zwischen PC und Netzwerkspeicher oder anderem Speichermedium

Wo genau liegen hierbei die Unterschiede zum „normalen“ WLAN Standard?

Wichtigster Unterschied zwischen 802.11ad und den herkömmlichen („normalen“) WLAN-Standards 802.11ac (Nutzung des 5 GHz Frequenzbandes) und 802.11ax (Nutzung des 2,4 GHz und 5 GHz Frequenzbandes) ist der verwendete Frequenzbereich.  Aufgrund des Wechsels auf das 60 GHz Band, das sich über einen Frequenzbereich von 57 bis 66 GHz erstreckt, stehen WiGig im Vergleich zu den 2,4- und 5 GHz Bändern wesentlich breitbandigere Kanäle zur Verfügung. Hier kann auf eine Gesamtbandbreite von etwa 8,5 Gigahertz zurückgegriffen werden, die in 4 Kanäle mit einer Bandbreite von jeweils 2,16 GHz unterteilt sind. Im Vergleich stehen im 802.11ac und 802.11ax in den 2,4- und 5 GHz Bändern nur maximale Kanalbandbreiten von 80 beziehungsweise 160 MHz zur Verfügung.

Ein weiterer großer Unterschied liegt in den Anwendungsbereichen der beschriebenen WLAN-Standards. WiGig ist im Gegensatz zu 802.11ac und 802.11ax nicht für Multi-User-Netzwerke konzipiert, die sich über mehrere Räume erstrecken, sondern bietet Lösungen für breitbandige, drahtlose Punkt-zu-Punkt-Verbindungen über kurze Entfernungen. Durch die Nutzung des 60 GHz Bandes resultiert eine höhere Signaldämpfung im Freiraum und durch Gegenstände oder Wände, wodurch die maximal erzielbare Reichweite der Funksignale stark limitiert wird. Der atmosphärische Sauerstoff verursacht eine Dämpfung von etwa 20 dB pro km. Gegenstände, Hindernisse (z.B. auch Menschen), Wände und Decken dämpfen die Signale noch zusätzlich, wodurch sich lediglich zwischen Geräten mit direkter Sichtverbindung eine bestmögliche Signalübertragung ohne Durchsatzeinbrüche realisieren lässt. Infolgedessen findet WiGig Anwendung in der drahtlosen Kommunikation innerhalb eines Raumes und in einem Radius von maximal zehn Metern. Dies hat zur Folge, dass aufgrund der stark beschränkten Reichweite weitere WLAN Verbindungen innerhalb eines Gebäudes im gleichen Frequenzbereich betrieben werden können ohne sich gegenseitig zu stören.

Infolgedessen soll WiGig keinesfalls die herkömmlichen „normalen“ WLAN Standards ersetzen, sondern erschließt lediglich andere Anwendungsbereiche mit höheren Datenraten. Der Standard eignet sich beispielsweise für drahtlose Übertragungen von hochauflösenden 4K-Videosignalen oder vergleichbarer Signale aus dem Home-Entertainment-Bereich, wodurch WiGig im direkten Wettbewerb zu Wireless Protokollen und Standards wie Wireless HDMI (WHDMI) steht.

Was sind die wesentlichen technischen Merkmale von WiGig?

Aufgrund der Nutzung des 60 GHz Bandes und der daraus resultierenden höheren Gesamtbandbreite sowie der 4 einzelnen Kanäle, sind die Modulationsverfahren zur Erreichung der hohen Datenraten nicht so komplex wie bei 802.11ac und 802.11ax. WiGig verwendet das Single Carrier Orthogonal Frequency Division Multiplex (SC-OFDM) Verfahren. In Kombination mit Beamforming zur Ausrichtung der Abstrahlcharakteristik der Antennen erreicht 802.11ad Datenübertragungsraten von 6,76 Gbps. Um in den niederfrequenteren Bändern (802.11ac und 802.11ax) vergleichbar hohe Datenraten zu erzielen, kommen ausgefeiltere Multiplex- und Modulationsverfahren wie OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access) und 256-QAM oder 1024-QAM zum Einsatz.

Weitere Merkmale von WiGig sind zum Einen der Energiesparmodus für batteriebetriebene Geräte, als auch eine mögliche Unterscheidung zweier Modi (High-Performance-Datenübertragung mit hoher Datenrate und robuste Datenübertragung mit geringerer Datenrate).

Des Weiteren existieren bereits Tri-Band-Geräte, die alle hier dargestellten Bänder der verschiedenen WLAN-Standards (2,4 GHz, 5 GHz, 60 GHz) unterstützen.

Christian Neulinger

Christian Neulinger ist „Manager Radio Frequency & Simulation“ und hat inzwischen mehr als 10 Jahre Berufserfahrung in der Entwicklung und Qualifizierung von innovativen elektrischen Komponenten für die leitungsgebundene High-Speed-Datenübertragung. Als aktives Mitglied in diversen Standardisierungsgremien wie IEEE 802.3 arbeitet er an der Entwicklung von neuen leistungsfähigen Datenübertragungssystemen für die Automobilindustrie mit.