Tech Talk ist eine Interview-Reihe, die Ihnen einige inspirierende Persönlichkeiten innerhalb und außerhalb von MD ELEKTRONIK, und der Welt der Technologie, Innovation und darüber hinaus vorstellt.
In dieser Folge haben wir Teddy (Tetsuro) Ishida getroffen. Er ist Produktmanager in unserem Büro in Japan. Mit ihm haben wir über die Automobilindustrie in Japan und China und über die Herausforderungen und Chancen in der Region Asien-Pazifik gesprochen.

Teddy, bitte erzähle uns ein wenig über dich. Wie sah dein bisheriger Werdegang aus und was brachte dich zu MD?
Ja, gerne. Mein Name ist Tetsuro Ishida oder kurz Teddy. Ich lebe zusammen mit meiner Frau und unserer Tochter in Tokio. Ich begann meine berufliche Laufbahn als Ingenieur für Laptop-Computer. Damals kamen Laptops gerade erst auf den Markt. Ich entwickelte mehr als 17 Jahre lang zahlreiche Steckverbinder für die Bereiche Datenverarbeitung und Robotik und wechselte dann in den Automobilsektor. Ich war in den letzten 18 Jahren bei drei Global Playern in der Automobilzulieferindustrie in verschiedenen Funktionen im Bereich Engineering und Projektmanagement tätig und kam 2023 zur MD.
Was sind die wesentlichen Faktoren, die die Automobilindustrie in China und Japan antreiben, und worin unterscheiden sie sich?
Die Automobilindustrien in China und Japan sind getrieben von Innovation, unterscheiden sich aber bezüglich ihrer strategischen Ausrichtung. Chinas Wachstum wird von der starken staatlichen Unterstützung für batterieelektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicles – BEVs) befördert. Das macht China zum größten Markt für Elektroautos weltweit. Die Investitionen des Landes in die Infrastruktur für Elektroautos einschließlich Ladestationen und Batteriewechsel beschleunigen diesen Trend zusätzlich. Japan dagegen legt den Schwerpunkt auf Hybridfahrzeuge (Hybrid Electric Vehicles – HEVs) als Übergangstechnologie und investiert außerdem in Wasserstoff-Brennstoffzellen. Dieser Ansatz entspricht Japans umfassenderer Strategie der Diversifizierung zukünftiger Mobilitätslösungen durch Wahrung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Hybrid-, Elektro- und Wasserstofftechnologien.
Wie unterscheiden sich die Verbraucherpräferenzen im Automobilmarkt zwischen Japan und China?
Die Verbraucherpräferenzen in Japan und China unterscheiden sich erheblich und spiegeln den einzigartigen kulturellen und wirtschaftlichen Kontext des jeweiligen Landes wider. In Japan gibt es eine starke Nachfrage nach kompakten, effizienten Fahrzeugen wie zum Beispiel den Kei-Cars (sehe Erklärung unten). Chinesische Verbraucher entwickeln dagegen eine wachsende Präferenz für größere Fahrzeuge, insbesondere SUVs, die als Statussymbole gelten und praktisch für Familien sind. Die größer werdende Mittelschicht in China entscheidet sich zunehmend für geräumige, gut ausgestattete SUVs, die man sowohl in der Stadt als auch auf dem Land fahren kann. Außerdem nimmt die Zahl der Elektrofahrzeuge im Markt enorm zu, getrieben von staatlichen Anreizen und einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit.
Könntest du bitte erklären, was Kei-Cars sind und welche Bedeutung sie in Japan haben?
Aber sicher! Kei-Cars, auch unter der Bezeichnung „Leichtautomobile“ bekannt, stellen eine einzigartige Kategorie kleiner, effizienter Fahrzeuge dar, die in der japanischen Automobilkultur seit ihrer Einführung im Jahr 1949 eine bedeutende Rolle spielen. Diese Fahrzeuge wurden ursprünglich entwickelt, um für die Nachkriegsgeneration der japanischen Verbraucher eine bezahlbare Transportlösung zu schaffen. Kei-Cars zeichnen sich durch ihre kompakte Größe mit Hubräumen von maximal 660 cm3 aus, was sie zum idealen Auto für Japans enge Straßen und überlaufene Ballungszentren macht. Über die Jahre entstanden in der Kategorie der Kei-Cars verschiedene Modelle, darunter auch Lkw und Transporter, die insbesondere bei Kleinunternehmern sehr beliebt sind, weil sie trotz ihrer geringen Größe eine ordentliche Zuladung haben. Die japanische Regierung fördert die Popularität von Kei-Cars mit Steuervergünstigungen und niedrigeren Versicherungsprämien, was sie zu einer preiswerten Alternative macht. Außerdem erlangten diese Autos wegen ihres unverwechselbaren Designs, der Kraftstoffeffizienz und der kulturellen Anziehungskraft, ein durch und durch japanisches Fahrzeug zu besitzen, insbesondere bei den jüngeren Generationen Kultstatus. Das am meisten verkaufte BEV in Japan ist der Sakura von Nissan. Der Sakura ist ein Kei-Car. Das Auto hat nicht viel Leistung und ist nicht groß, aber es ist intelligent und passt zu den Bedürfnissen und den Lebensumständen der Verbraucher in Japan und ist daher bei den japanischen Kunden sehr beliebt.
Wo stehen Japan und China bei der Einführung von autonomen Fahrzeugen?
Japan und China sind bei der Technologie für autonome Fahrzeuge beide führend, aber ihre Ansätze und Fortschritte unterscheiden sich aufgrund unterschiedlicher regulatorischer und marktbezogener Rahmenbedingungen. China hat rasante Fortschritte bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge gemacht. Ursache hierfür waren staatliche Unterstützung, flexible Bestimmungen und ein Fokus auf der Integration von KI in städtische Umgebungen. Dadurch war es möglich, die Testphase und die Einführung zu beschleunigen, insbesondere in Großstädten, in denen bereits autonome Taxidienste getestet werden. In Japan hingegen ging es bedächtiger voran. Die Betonung lag hier auf strikten Sicherheitsstandards und Datenschutz. Dies hat das Tempo der Einführung zwar verlangsamt, aber dafür war Japan bei der Integration von KI-Technologie mit Robotik insbesondere auf Spezialgebieten wie Seniorenbetreuung und Logistik extrem erfolgreich. Die unterschiedlichen regulatorischen Rahmenbedingungen haben zu unterschiedlichen Entwicklungspfaden bei der KI-Integration in den beiden Ländern geführt.
Wie gehen die Unternehmen in Japan und China die Herausforderungen der Datenübertragung im Fahrzeug an, insbesondere in Bezug auf Verkehrssicherheit, Datensicherheit und Zuverlässigkeit?
Fortschrittliche Datenübertragungstechnologien sind das Rückgrat des autonomen Fahrens, da sie die Fahrzeugsysteme in die Lage versetzen, die nötige Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit zu liefern. Sowohl in Japan als auch in China investieren die Autohersteller stark in Bordnetze, um den Herausforderungen zu begegnen, die vernetzte Fahrzeuge mit sich bringen. Japanische Unternehmen wie Toyota, Nissan und Honda arbeiten bei der Systementwicklung mit Technologieriesen wie Microsoft, NTT und Renesas zusammen. Dabei geht es auch um 5G-Netze, die für die Fahrzeugkommunikation in Echtzeit und für verbesserte Sicherheitsfunktionen von kritischer Bedeutung sind. Diese Partnerschaften legen den Fokus auch auf die Datensicherheit und betonen dabei den Schutz der Fahrzeuge vor Cyberangriffen und unbefugtem Zugriff. In China bringen führende Autohersteller wie BYD, Nio und Xpeng diese Systeme ebenfalls voran. Häufig entwickeln sie dabei eigene Lösungen oder arbeiten mit strategischen Partnerschaften. Xpeng hat sich zum Beispiel mit Alibaba zusammengetan, um Cloud-basierte Technologien zu integrieren, die Datenverarbeitung und Fahrzeug-Konnektivität verbessern. Während beide Länder die Datensicherheit priorisieren, liegt der Fokus bei China insbesondere darauf, Verletzungen der Datensicherheit zu verhindern, die sensible Informationen gegenüber ausländischen Einrichtungen offenlegen könnten, was auf Sorgen um die nationale Sicherheit im weiteren Sinne zurückzuführen ist. Japans Ansatz konzentriert sich dagegen mehr darauf, Fahrzeuge vor externen Cyber-Bedrohungen zu schützen und Datenverlässlichkeit in Echtzeit-Fahrszenarien zu gewährleisten.
Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen Japan und China beim Lieferkettenmanagement und bei den Beschaffungsstrategien?
Lieferkettenmanagement und Beschaffungsstrategien in Japan und China spiegeln die industriellen Philosophien und das jeweilige wirtschaftliche Umfeld in den beiden Ländern wider. In China verfolgen die Unternehmen häufig eine Ein-Lieferanten-Strategie und nutzen die sich daraus ergebenden engen Beziehungen zu einheimischen Lieferanten, um Kosten zu senken und die Kontrolle über die Lieferkette zu behalten. Dieser Ansatz passt zu Chinas Fokus auf Größe, Geschwindigkeit und Kosteneffizienz, alles kritische Faktoren, um seine Position als globales Kraftzentrum der Produktion beizubehalten. Die Unterstützung der chinesischen Regierung für lokale Zulieferer stärkt diese Strategie noch zusätzlich und ermöglicht es den Unternehmen, ihre Produktion zügig hochzufahren und auf sich verändernde Marktanforderungen zu reagieren. Japanische Unternehmen betonen hingegen eine Mehrlieferantenstrategie. Treiber hierfür sind Qualitätsanspruch, Risikomanagement und langfristige Partnerschaften. Japanische Autohersteller wie Toyota und Honda arbeiten oft mit einem Netz aus Zulieferern zusammen, um Redundanz und Resilienz in ihren Lieferketten zu gewährleisten. Dieser Ansatz vermindert die Risiken bei Naturkatastrophen und Lieferunterbrechungen, was besonders angesichts der Verwundbarkeit Japans durch Erdbeben und andere Umweltrisiken wichtig ist. Darüber hinaus priorisieren japanische Unternehmen den Aufbau von Vertrauen und langfristigen Beziehungen mit Lieferanten, was zur hohen Qualität in der Produktion und Innovationen durch enge Zusammenarbeit beiträgt.
Welche Rolle spielt die MD ELEKTRONIK Gruppe in der Branche? Wo siehst du unsere Stärken?
Die Automobilindustrie befindet sich mitten in einer digitalen Transformation. Die größte Auswirkung aus Zuliefererperspektive besteht darin, dass die angestammten Unternehmen nicht mehr die einzigen Akteure sind. Sie werden von Elektronikkonzernen herausgefordert, die über ein tiefes Verständnis der Software verfügen, wie zum Beispiel XIAOMI aus China und SONY aus Japan. Und diese „neuen OEMs“ können neue Technologien im Bereich der Datentransformation viel leichter nutzen als traditionelle OEMs, was sie zu ernstzunehmenden Konkurrenten macht, vor allem wenn wir uns die größten Trends wie Elektroautos und automatisiertes Fahren anschauen. MD ist seit über 30 Jahren ein Technologiepartner für die Automobilindustrie. Wir haben einen Ruf, der auf Vertrauen und Zusammenarbeit sowohl mit Tier-1- als auch mit OEM-Kunden beruht. MD arbeitet nicht nur mit traditionellen OEMs und Tier-1-Kunden zusammen, sondern auch mit Halbleiterunternehmen und -Lieferanten. Wir befassen uns also nicht nur mit unseren Produkten, sondern denken von Chip zu Chip. Dieser ganzheitliche Ansatz in Verbindung mit unserer globalen Präsenz und unserer vorausschauenden Produktentwicklung macht uns zu einem starken und vertrauenswürdigen Partner für die globale digitale Transformation in der Automobilindustrie.
Teddy, vielen Dank für dieses interessante Interview!