Sichere Datenübertragung in vernetzten Fahrzeugen – Das Rückgrat moderner Mobilität

Moderne Fahrzeuge haben sich zu vernetzten High-Tech-Systemen entwickelt. Insbesondere beim autonomen Fahren fallen große Datenmengen an, die in Echtzeit übertragen werden müssen. Die sichere Übertragung dieser Datenströme ist entscheidend, denn ein Ausfall oder Fehler in der Datenkommunikation kann in sicherheitskritischen Situationen schwerwiegende Folgen haben. Um dies zu vermeiden, investieren die Automobilhersteller und ihre Zulieferer massiv in zuverlässige Datenübertragungstechnologien. Doch welche sind das und was macht sie so sicher?

Datenflut und steigende Anforderungen

Die Datenmenge, die in einem Fahrzeug erzeugt wird, wächst seit Jahren immer weiter an. Sensoren für Fahrerassistenzsysteme (Advanced Driver Assistance Systems, ADAS) – von Kameras über Radar bis hin zu Lidar – erzeugen einen Datenstrom im Gigabit-Bereich. Heutige Versuchsfahrzeuge für hochautomatisiertes Fahren erreichen bereits Datenraten um 5 Gbit/s (ca. 625 MB/s). Einzelne hochauflösende Kameras können dabei Bandbreiten von bis zu 3,5 Gbit/s beanspruchen. Diese enorme Datenflut muss im Fahrzeug verzögerungsfrei verteilt werden, damit zentrale Steuergeräte („Vehicle Computer“) in Bruchteilen von Sekunden die richtigen Entscheidungen treffen können. Gleichzeitig erfordern neue Funktionen eine immer höhere Zuverlässigkeit der Datenwege: Zeitkritische Informationen wie Bremsbefehle oder Kollisionswarnungen dürfen auf keinen Fall verloren gehen oder zu spät ankommen. Die Schlüsselanforderungen an Bordnetze lauten daher: hohe Bandbreite, Zuverlässigkeit/Sicherheit und geringe Latenz. Um diese Anforderungen zu erfüllen, setzen moderne Fahrzeuge zunehmend auf ein einheitliches, Ethernet-basiertes Bordnetz. Gegenüber den bisherigen heterogenen Netzwerken (CAN, LIN, FlexRay, MOST etc.) bietet Ethernet die Skalierbarkeit und – dank neuer Protokollerweiterungen – Mechanismen für bestmögliche Latenzen und Ausfallsicherheit. Heutige Fahrzeuge verfügen teilweise über mehr als 150 Steuergeräte, die Daten austauschen. Ohne ein leistungsfähiges Netzwerk wäre diese steigende Komplexität kaum beherrschbar.

Datenleitungen und Steckverbinder

Die Datenleitungen im Fahrzeug sind das Rückgrat moderner Bordnetzarchitekturen. Heute werden überwiegend verdrillte Kupferkabel verwendet, die meist als Single Pair Ethernet (SPE) ausgeführt sind. Twisted Pairs haben den Vorteil, dass Störeinflüsse und Übersprechen deutlich reduziert werden können. Durch die Wahl zwischen ungeschirmten und geschirmten Varianten kann ein geeignetes EMV-Konzept (Elektromagnetische Verträglichkeit) umgesetzt werden. In Umgebungen mit hoher Störstrahlung (z. B. in der Nähe von Elektromotoren) werden häufig geschirmte Twisted-Pair-Kabel eingesetzt, während in „ruhigeren“ Bereichen ungeschirmte Kabel Gewicht und Kosten sparen. Wichtig ist auch die mechanische Belastbarkeit: Fahrzeugkabel müssen Vibrationen, Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit über viele Jahre aushalten, ohne an Übertragungsqualität einzubüßen. Ebenso kritisch sind die Steckverbindungen. Hier entscheidet sich, ob die Datenverbindungen auch unter Erschütterungen dauerhaft stabil bleiben. Anders als im Gebäudebereich, wo meist RJ45-Steckverbinder üblich sind, setzt die Automobilindustrie auf spezielle, robuste Stecksysteme. Diese verfügen über Verschraubungen oder Verriegelungen, die ein unbeabsichtigtes Lösen bei Vibrationen zuverlässig verhindern. Solche Hochleistungssteckverbinder erfüllen alle gängigen Automobilstandards und können mit verschiedenen Kabeltypen (STP, UTP etc.) eingesetzt werden. Für sicherheitskritische Anwendungen (z.B. autonome Fahrfunktionen) gibt es zusätzliche Sicherungsmechanismen wie die Connector Position Assurance (CPA), die ein unbeabsichtigtes Lösen des Steckers verhindert und nur dann einrastet, wenn die Verbindung vollständig gesteckt ist. Solche Hardware-Innovationen der Zulieferer sorgen dafür, dass die Datenwege auch in rauer Umgebung dauerhaft stabil bleiben. Für die Zukunft werden bereits optische Datenübertragungstechnologien diskutiert, die nicht nur für extreme Bandbreiten bestens geeignet sind, sondern auch eine enorme elektromagnetische Verträglichkeit aufweisen.

Protokolle, Standards & Gremien  

Als kommunikative “Sprache” der Fahrzeugnetzwerke hat sich Ethernet etabliert, das an die speziellen Anforderungen im Fahrzeug angepasst wurde. Im Gegensatz zum klassischen Ethernet z.B. im Büro (mit vier Adernpaaren) kommt im Fahrzeug Single Pair Ethernet (SPE), sog. Automotive Ethernet zum Einsatz – also Ethernet über nur ein verdrilltes Adernpaar, das Platz und Gewicht spart und sich besonders für die beengten und anspruchsvollen Bedingungen im Fahrzeug eignet.

Standards spielen dabei eine zentrale Rolle: Sie sorgen für das reibungslose Zusammenspiel von Komponenten unterschiedlicher Hersteller, definieren verbindliche Leistungs- und Prüfkriterien und ermöglichen die zuverlässige Skalierung neuer Technologien in die Großserie. Ohne international anerkannte Standards wie die IEEE-Standards oder die Testspezifikationen der OPEN Alliance wäre eine einheitliche, sichere und interoperable Ethernet-Kommunikation im Fahrzeug kaum realisierbar – vor allem nicht bei den engen Taktzeiten und hohen Qualitätsanforderungen moderner Fahrzeuge. Für OEMs und Zulieferer sind diese Standards daher unverzichtbar, um Entwicklungsrisiken zu minimieren, Zertifizierungen zu bestehen und technologische Investitionen langfristig abzusichern.

Darüber hinaus stellen diese Standards sicher, dass kritische Systeme wie Notbremsassistenten, Spurhaltefunktionen oder autonome Fahrentscheidungen zuverlässig über standardisierte, robuste Kommunikationswege gesteuert werden können – ein elementarer Baustein für die funktionale Sicherheit und Fehlerfreiheit in sicherheitskritischen Fahrzeugarchitekturen.

Wichtige Standards sind:

100BASE-T1 (IEEE 802.3bw) – 100 Mbit/s über eine Kupferdoppelader. Bereits seit einigen Jahren in Serienfahrzeugen z.B. für Kamera- und Sensordaten im Einsatz.

1000BASE-T1 (IEEE 802.3bp) – 1 Gbit/s über eine Kupferdoppelader. Dient als Gigabit-Backbone im Fahrzeug, über den mehrere Steuergeräte (ECUs) mit hoher Geschwindigkeit miteinander kommunizieren können. Gigabit-Ethernet wird heute z. B. für zentrale Infotainment-Netzwerke und ADAS-Sensorfusion eingesetzt.

2,5/5/10GBASE-T1 (IEEE 802.3ch) – 2,5/5/10 Gbit/s über eine Kupferdoppelader. Dient als Multigigabit-Backbone im Fahrzeug, über den mehrere Steuergeräte (ECUs) mit hoher Geschwindigkeit miteinander kommunizieren können.

10BASE-T1S (IEEE 802.3cg) – 10 Mbit/s über eine Kupferdoppelader mit Multidrop-Busfähigkeit. Dieser Standard ermöglicht den Anschluss mehrerer Sensoren/Aktoren an eine gemeinsame Leitung, wodurch Verkabelung und Gewicht eingespart werden. 10BASE-T1S eignet sich besonders für einfache Sensoren/Aktoren in Zonenarchitekturen, damit nicht jeder kleine Knoten ein eigenes Kabel zum zentralen Switch benötigt.

Eine weitere wichtige Norm ist die ISO 26262 (Functional Safety): Diese internationale Norm regelt die funktionale Sicherheit von elektrischen und elektronischen Systemen in Straßenfahrzeugen und legt fest, wie Risiken systematisch identifiziert, bewertet und minimiert werden müssen. Netzwerkkomponenten für sicherheitskritische Funktionen müssen nach sogenannten ASIL-Levels (Automotive Safety Integrity Levels) klassifiziert werden – von ASIL A (geringes Risiko) bis ASIL D (höchstes Risiko). NXP, ein weltweit führender Halbleiterhersteller mit starkem Fokus auf Automobilanwendungen, bietet beispielsweise einen ASIL-B-konformen 1000BASE-T1-Transceiver – also einen Ethernet-Übertrager für Gigabit-Kommunikation über eine einzelne verdrillte Kupferdoppelader – an, der speziell für den Einsatz in sicherheitskritischen Fahrzeugarchitekturen entwickelt wurde und erweiterte Diagnose- und Sicherheitsfunktionen wie integrierte Fehlertoleranz und Zustandsüberwachung unterstützt. Solche Komponenten sind sicherheitsrelevant, weil sie sicherstellen, dass lebenswichtige Daten – etwa für Lenkung, Bremsen oder Kollisionsvermeidung – auch bei Störungen zuverlässig übertragen werden. Eine reibungslose Kommunikation zwischen den Systemen ist Grundvoraussetzung, um Fehlfunktionen zu erkennen und Fehlerpfade zu unterbrechen.

Redundanz und funktionale Sicherheit

Hohe Datenraten allein reichen nicht aus – Netzwerke müssen auch ausfallsicher sein. Nach ISO 26262 darf kein Einzelfehler zum Verlust einer sicherheitskritischen Funktion führen. In der E/E-Architektur kommen daher Redundanzkonzepte zum Einsatz. Ein Ansatz ist die physikalische Redundanz: Kritische Sensoren oder Aktoren (z. B. bei Steer-by-Wire) werden über zwei unabhängige Datenleitungen mit Steuergeräten verbunden. Fällt eine Verbindung aus, übernimmt die zweite. Hinzu kommen protokollseitige Redundanzen, z.B. durch Frame Replication: Jedes sicherheitskritische Datenpaket wird gleichzeitig über zwei verschiedene Pfade im Netzwerk gesendet (definiert in IEEE 802.1CB der Time-Sensitive Networking Extensions). Der Empfänger verwendet das erste fehlerfreie Paket und verwirft Duplikate. Time-Sensitive Networking (TSN), eine Erweiterung des IEEE 802.1-Standards für determinierte, zeitkritische Datenübertragung, ermöglicht durch Zeitsynchronisation, zeitgesteuerte Datenübertragung und Flusskontrolle eine deterministische Kommunikation mit sehr geringen Latenzzeiten. Damit können auch Brems- oder Lenkfunktionen über Ethernet abgewickelt werden, ohne dass verzögerte oder verlorene Pakete zu gefährlichen Situationen führen.

Zonenarchitektur als Zukunftsmodell

Ein weiterer Trend ist die zonale E/E-Architektur. Statt vieler verteilter Domänensteuergeräte (für Motor, Fahrwerk, Karosserie etc.) setzt man auf wenige zentrale Hochleistungsrechner und sogenannte Zonensteuergeräte in den Fahrzeugbereichen (vorne, hinten, links, rechts). Diese Zonensteuergeräte bündeln die Sensoren und Aktoren ihrer Region und kommunizieren über leistungsfähige Datenleitungen mit dem Zentralrechner. Automotive Ethernet ist dabei die Schlüsseltechnologie, um die Zonen mit dem Zentralrechner (häufig als Gigabit-Backbone) zu verbinden. Gleichzeitig vernetzt innerhalb der Zone ein einfacher 10BASE-T1S-Bus die lokalen Sensoren und Aktoren. Diese Kombination reduziert nicht nur die Länge, Komplexität und das Gewicht der Verkabelung erheblich, da nicht mehr jeder Sensor ein eigenes Kabel zur Zentrale benötigt. Zudem leistet die Zonenarchitektur einen wichtigen Beitrag zur funktionalen Sicherheit: Lokale Fehler – etwa ein defekter Sensor oder eine fehlerhafte Verbindung – bleiben auf die jeweilige Zone beschränkt und wirken sich nicht auf das gesamte Fahrzeugnetzwerk aus. Die klare Trennung der Zuständigkeiten innerhalb der Zonen ermöglicht eine bessere Fehlerdiagnose und -eingrenzung und damit eine schnellere Reaktion auf Störungen. Zudem kann Redundanz gezielter umgesetzt werden, indem sicherheitskritische Funktionen gezielt in mehreren Zonen abgesichert werden. Diese Modularisierung stellt sicher, dass das Fahrzeug im Fehlerfall kontrolliert in einen sicheren Zustand überführt werden kann – eine zentrale Anforderung im Kontext der ISO 26262 und des autonomen Fahrens.

Innovation und Kooperation für sichere Mobilität

Die sichere Datenübertragung in modernen vernetzten Fahrzeugen erfordert ein Zusammenspiel von Hightech-Komponenten: Hochwertige Kabel und Stecker als physikalische Basis, robuste Protokolle und Standards für eine fehlerfreie Kommunikation sowie ausgefeilte Architekturen mit Redundanz und EMV-Schutz. Automobilhersteller und Zulieferer investieren intensiv in diese Bereiche. Ausgereifte Industriestandards sorgen dafür, dass die Datenautobahnen im Fahrzeug zuverlässig und sicher funktionieren – eine Grundvoraussetzung für die vernetzte Mobilität von morgen.

MD ELEKTRONIK spielt bei der sicheren Datenübertragung im Fahrzeug eine Schlüsselrolle. Durch konfektionierte Datenleitungen und Steckverbinder mit hoher Signalqualität und robustem EMV-Schutz ermöglicht MD eine zuverlässige Hochgeschwindigkeits-Datenkommunikation im Automobil. Das Unternehmen bringt sein Know-how frühzeitig in die Standardisierung ein und arbeitet seit 2013 aktiv in Gremien wie der IEEE Automotive Ethernet Task Force und der OPEN Alliance mit. So fließen neueste Sicherheits- und Leistungsanforderungen direkt in die Industriestandards ein. Aktuelle Entwicklungsprojekte – wie Datenleitungen für Multi-Gigabit-Ethernet (bis 25 Gbit/s) oder neue Stecksysteme – unterstreichen diesen Anspruch.

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Kontakt

Christian Neulinger

Christian Neulinger ist „Manager Radio Frequency & Simulation“ und bringt bereits über 15 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Qualifizierung von innovativen elektrischen Komponenten für die leitungsgebundene High-Speed-Datenübertragung als Expertise ein. Er leitet die Fachabteilung für Hochfrequenzentwicklung mit Fachingenieuren in der Hochfrequenz- und Strukturmechanik Simulation zur Entwicklung von Datenübertragungskomponenten. Als aktives Mitglied in diversen Standardisierungsgremien wie IEEE 802.3 arbeitet er an der Entwicklung von neuen leistungsfähigen Datenübertragungssystemen für die Automobilindustrie mit