Klassische Kupferleitungen stoßen im Multigigabit-Bereich an Ihre Grenzen
Die Anforderungen an die Datenübertragung in modernen Fahrzeugen steigen rasant, doch die „Datenautobahnen“ basieren nach wie vor auf althergebrachten Technologien. Klassische Kupferleitungen erreichen material- und technologiebedingt ihre Grenzen. Damit stellt sich eine zentrale Frage: Ist es an der Zeit, auf eine neue Übertragungstechnologie umzusteigen? Die optische Datenübertragung könnte die Lösung sein. Erfahren Sie, wie sich diese Technologie entwickelt hat, welche Vorteile sie bietet und warum sie zunehmend in den Fokus der Automobilindustrie rückt.
Warum hat sich die optische Datenübertragung in der Automobilindustrie nicht schon längst durchgesetzt?
Die optische Datenübertragung ist weltweit allgegenwärtig: Seit der erstmaligen Verwendung von Glasfasern in der Telekommunikation im Jahr 1980 werden allein in Deutschland jährlich mehr als 1,5 Millionen Haushalte an das Glasfasernetz angeschlossen und es sind bereits über 750.000 km Glasfaserkabel verlegt. Neben der Möglichkeit, sehr hohe Datenraten (Petabit/s) zu übertragen, ermöglicht die Glasfaserübertragung im Internet eine Reduzierung des Energieverbrauchs um etwa den Faktor 17 gegenüber den klassischen Kupferleitungen.
Der Grund, warum sich diese Technologie in der Automobilindustrie noch nicht durchgesetzt hat, liegt vermutlich am MOST-Bus, der in den 1990er Jahren entwickelt wurde. Dieser kam vor allem für Infotainment-Anwendungen in die Fahrzeuge und brachte einige limitierende Faktoren wie z.B. eine geteilte Bandbreite oder eine Temperaturbegrenzung auf max. 85°C oder mit sich. Zudem war der MOST-Bus eine proprietäre Lösung, die den Einsatz alternativer Protokolle unmöglich machte.
Seit dieser Zeit hat die Industrie jedoch im Bereich der optischen Datenübertragung große Fortschritte gemacht. Nicht nur die Datenraten wurden von 150Mbps (MOST) auf 50Gpbs (Ethernet) gesteigert, sondern auch die Fasern und der Kabelaufbau wurden so optimiert, dass die bestehenden Automotive-Spezifikationen oder auch die möglichen Biegeradien kein Hindernis mehr für den Einsatz im Fahrzeug darstellen. Auch die Übertragung über sehr große Distanzen ist mit dieser Technologie problemlos möglich, was die Optische Datenübertragung für Truck-Trailer-Anwendungen immer interessanter macht.
Welche Verbesserungen hat es im Bereich der optischen Datenübertragung gegeben?
Bei der Entwicklung optischer Komponenten hat sich in den letzten Jahren viel getan. Betrachtet man z.B. die Leitungen, so kann man feststellen, dass die optischen Dämpfungen um einen großen Prozentsatz reduziert wurden, was eine Übertragung über sehr große Distanzen ermöglicht. Auch an der Robustheit der Fasern und Kabel wurde gearbeitet, so dass sie den hohen Anforderungen der Automobilindustrie standhalten. Aber nicht nur in der Verbindungstechnik, auch in der Übertragungstechnik wurde viel erreicht. Hier sind Systeme im Einsatz, die sowohl bidirektional übertragen als auch mit unterschiedlichen Wellenlängen auf einer Faser mehrere unterschiedliche Anwendungen steuern können. Wenn man dies auf die Automobilindustrie überträgt, kann man erkennen, dass sich
hier die Möglichkeit eröffnet, schon heute eine zukunftsfähige Technologie einzusetzen, die auch noch für die Anforderungen geeignet ist.
Gibt es Unternehmen, die in die optische Datenübertragung für automobile Anwendungen investieren?
Um diese Frage zu beantworten, ist eine weltweite Recherche notwendig, da es nicht allzu viele Unternehmen gibt, die sich im automobilen Umfeld bewegen und sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Betrachtet man Europa, so zeigt sich, dass neben MD ELEKTRONIK nur wenige Akteure grundlegende Projekte für diese Technologie gestartet haben. Eines dieser Unternehmen beschäftigt sich seit Jahren mit dem Herzstück der Übertragung, dem Transceiver. Es handelt sich um ein spanisches Start-up-Unternehmen namens „KD“, das ein neues Verfahren entwickelt hat, um einen Transceiver (Sende- und Empfangseinheit) mit einem integrierten Schaltkreis (IC) auf ein Substrat zu bringen. Mit Hilfe dieser neuen Technologie in Verbindung mit den Vorteilen der optischen Datenübertragung wird es möglich sein, hoch performante Automotive Ethernet Links in künftige Fahrzeuggenerationen zu integrieren.
Hierfür hat KD auch maßgeblich zur Fertigstellung des optischen Multigigabit-Standards IEEE 802.3cz beigetragen.
Kooperation mit ZF
Um diese Idee in ein reales Steuergerät umzusetzen, kooperieren ZF Friedrichshafen und MD ELEKTRONIK seit 2024. Mit Hilfe neuartiger Technologie und neu entwickelten Steckverbindern ist es gelungen einen funktionsfähigen Demonstrator basierend auf dem Hochleistungsrechner ProAI zu verwirklichen.
Zur Pressemitteilung von ZFWelche Eigenschaften sprechen für den Einsatz der optischen Datenübertragung?
Vergleicht man die Dämpfung, die maximal 35 dB (bei 11m) betragen darf, als kritisches Element der Datenübertragung über Kupfer, so wird deutlich, dass die optische Dämpfung (ca. 2,5dB/km) einen sehr geringen Wert aufweist. Bei Neuentwicklungen im Rechenzentrum wurde diese Eigenschaft noch weiter verbessert, so dass derzeit Dämpfungswerte kleiner 0,1 dB/km erreicht werden. Neben diesem wesentlichen Vorteil können noch viele weitere positive Aspekte aufgezeigt werden. So lassen sich durch den Einsatz von Lichtwellenleitern gegenüber einer vergleichbaren Kupferleitung ca. 2/3 des Gewichts und ca. 10% des Platzbedarfs einsparen. Darüber hinaus sind Lichtwellenleiter weniger temperaturanfällig und ermöglichen eine EMV-sichere Datenübertragung über sehr lange Strecken, was z.B. bei LKW-Anhängern und Bussen von besonders großem Nutzen ist. Bei der Betrachtung der Datenübertragung ergeben sich weitere wesentliche Vorteile. Angefangen bei den geringen Übertragungsverlusten im Vergleich zu Kupfer können EMV-kritische Themen wie „Übersprechen“ bei der optischen Übertragung als nicht vorhanden betrachtet werden. Im Gegensatz dazu ist für eine vergleichbare Übertragung mit Kupferleitungen ein hoher Aufwand für die Schirmung erforderlich. Für zukünftige Anwendungen bietet die optische Datenübertragung eine weitere sehr nützliche Eigenschaft, nämlich die Möglichkeit der bidirektionalen Übertragung bei gleicher Bandbreite.
Bei den Neuentwicklungen für den automobilen Einsatz dieser Technologie wurden die wichtigsten Themen wie Robustheit gegenüber mechanischen Zugkräften, Biegewechselbeanspruchung im Kabelaufbau sowie in den Steckverbindern bereits berücksichtigt und automobiltaugliche Muster verschiedenen Zulieferern und OEMs zur Verfügung gestellt.