Schirmung

Was versteht man unter Schirmung?

Schirmung bezeichnet innerhalb einer Kabelverbindung die Maßnahme zur Abschirmung elektromagnetischer Störfelder durch leitendes Material um die Kabel, um eine störungsfreie Datenübertragung zu gewährleisten. Diese Abschirmung verhindert sowohl das Eindringen externer Störungen in die Kabel als auch das Austreten von Signalen, die andere elektronische Systeme im Fahrzeug beeinflussen könnten.

Warum ist eine Schirmung notwendig?

In modernen Fahrzeugen werden aufgrund zahlreicher Fahrerassistenzsysteme immer mehr leitungsgebundene Übertragungsstrecken mit hoher Bandbreite eingesetzt. Diese Systeme erfordern eine störungsfreie Datenübertragung, insbesondere in sicherheitskritischen Bereichen wie Fahrwerk, Bremsen, Lenkung und Antrieb. Um die hohen Datenraten über Kupferkabel übertragen zu können, werden nicht mehr binäre NRZ-Kodierungen mit zwei Spannungspegeln eingesetzt, sondern Kodierungen mit mehreren Pegelzuständen, wie zum Beispiel in 10GBASE-T1 (IEEE 802.3ch-2020), das für eine Übertragungsrate von 10 Gbit/s über ein Twisted-Pair-Kabel eine PAM4 (Puls-Amplituden-Modulation) mit 4 Spannungspegeln verwendet wird. Damit kann die Übertragungsrate verdoppelt werden. Wird die Anzahl der Pegel bei gleichbleibender Maximalspannung erhöht, so wird die Spannungsdifferenz zwischen den einzelnen Pegeln kleiner. Dieser Abstand ist jedoch wichtig, um die Zustände im Empfänger unterscheiden zu können. Durch den geringeren Abstand der Pegel zueinander können Störungen auf der Übertragungsstrecke die Pegelunterscheidung im Empfänger leichter stören und die Bitfehlerrate steigt. Da die elektrischen Leitungen vieler verschiedener Systeme in Fahrzeugen oft gebündelt verlegt sind, erhöht die Wahrscheinlichkeit für Störungen weiter. Eine wirksame Abschirmung und deren korrekter Anschluss ist eine wichtige Maßnahme, um Ausfälle von Systemfunktionen zu vermeiden.

Reduzierung der Einwirkung und Abstrahlung elektrischer Felder durch eine entsprechende Schirmung

Störfelder können nach ihrer Frequenz eingeteilt werden. Elektrostatische und quasi-statische bzw. niederfrequente elektrische Felder können durch ein Schirmgeflecht aus gut leitendem Material um die signalführenden Adern reduziert werden. Das Schirmgeflecht wirkt dabei nach dem Prinzip des Faraday’schen Käfigs. Ein von außen angelegtes elektrisches Feld bewirkt eine Ladungsverschiebung im Metallgeflecht, wodurch im Inneren des Geflechts ein entgegengesetztes Feld entsteht und das von außen einwirkende Feld durch Überlagerung der beiden entgegengesetzten Felder ausgelöscht wird. Mit steigender Frequenz des elektrischen Feldes nimmt die Schirmwirkung durch den Skin-Effekt zu. Der Skin-Effekt bezeichnet die Verdrängung von Strömen aus dem Zentrum an die Oberfläche eines elektrischen Leiters mit steigender Frequenz. Die Eindringtiefe der Felder hängt neben der Frequenz auch von der Leitfähigkeit ab. Aufgrund des Skin-Effekts können hochfrequente elektrische und elektromagnetische Felder auch durch gut leitfähige, dünne Metallfolien oder metallbedampfte Folien abgeschirmt werden. Die Abschirmungen wirken sowohl gegen unerwünschte Abstrahlung von Signalen (Störaussendung, Electro magnetic interference (EMI)) als auch gegen die Einwirkung von Störungen auf Signalleitungen (Störfestigkeit, Electro magnetic compatibility (EMC)). Dies gilt gleichermaßen für elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder. 

Reduzierung der Einwirkung und Abstrahlung magnetischer Felder durch eine entsprechende Schirmung

Niederfrequente Magnetfelder bis zu einigen hundert Kilohertz können metallische Abschirmungen durchdringen und Störströme in Signalleiter induzieren. Solche Felder werden mit hochpermeablen Materialien abgeschirmt. Die Wirkung dieser Abschirmung besteht darin, dass die magnetischen Felder im Schirmmaterial gebündelt werden, so dass das magnetische Feld nicht bis zum Signalleiter durchdringt. Da diese hochpermeablen Materialien jedoch sehr teuer sind und die Flexibilität eines Kabels einschränken können, werden niederfrequente Magnetfelder durch differentielle Signalübertragung und Verdrillen der beiden Signalleiter vermieden. Bei der differentiellen Signalübertragung werden zwei Adern mit halber Nennspannung, aber unterschiedlichem Vorzeichen verwendet und im Empfänger die Differenzspannung zwischen den beiden Adern ausgewertet. Durch die Verdrillung dieser beiden Adern ändert sich die Stromrichtung des induzierten Störstromes in jeder Schleife und wird bei symmetrischer Verdrillung im Mittel kompensiert. Dieses Verfahren wird unter anderem bei UTP-Leitungen (Unshielded Twisted Pair) angewendet. Bei hochfrequenten magnetischen und elektromagnetischen Feldern wirkt der Skineffekt eines elektrisch leitenden Materials dämpfend. Hierbei ist zwischen einem Geflechtschirm und einem Folienschirm zu unterscheiden. Bei der Verwendung von Drahtgeflechten als Abschirmung nimmt die Wirksamkeit der Abschirmung zu höheren Frequenzen hin ab, was auf die unvollständige Bedeckung der Oberfläche zurückzuführen ist. Es gibt kleine Lücken im Schirmgeflecht, durch die der magnetische Feldanteil bei hohen Frequenzen durchdringt. Um die Schirmwirkung zu erhöhen, befindet sich bei hochwertigen Leitungen unter dem Schirmgeflecht eine elektrisch leitende Folie, die die restlichen hochfrequenten Felder abschirmt.

Welche Rolle spielt die Verbindung der Schirmung mit dem Bezugspotential des Systems?

Ein geschirmtes Kabel mit einem gut leitenden Schirmgeflecht und einer Metallfolie oder metallisierten Folie bietet keinen zuverlässigen Schutz, wenn die Schirmenden nicht ordnungsgemäß mit dem Bezugspotential des Systems verbunden sind. Ohne Verbindung mit dem Bezugspotential des Systems können keine Ausgleichsströme fließen, so dass der Schirm nur eine geringe Wirkung gegen Störfelder hat. Ist der Schirm auf einer Seite der Leitung mit dem Bezugspotential verbunden, werden nur elektrische Felder abgeschirmt. Um magnetische Felder oberhalb des Kilohertz-Bereiches abzuschirmen, muss der Schirm beidseitig geerdet werden, um einen Stromfluss zu ermöglichen. Im Bereich der Kontaktierung sollte der Schirm allseitig (360°) mit dem geschirmten Steckergehäuse kontaktiert werden, da sonst Öffnungen entstehen, durch die höherfrequente Störfelder eindringen können und Signale abgestrahlt werden.

Wie wird die Schirmwirkung messtechnisch erfasst?

Um die Schirmwirkung von Kabeln mit unterschiedlichen Schirmgeflechten vergleichen zu können, werden Messwerte benötigt. Dabei wird zwischen nieder- und hochfrequenten Messungen unterschieden. Im Niederfrequenzbereich wird die Transferimpedanz bzw. der Kopplungswiderstand bestimmt. Bei dieser Messung wird ein Strom auf die Außenseite des Schirms aufgeprägt und die Spannung zwischen Innenleiter und Schirm gemessen. Im höheren Frequenzbereich wird die Schirmdämpfung verwendet. Die Schirmdämpfung kann z.B. mit dem Triaxial Messverfahren bestimmt werden. Die Schirmdämpfung stellt dabei das Verhältnis von eingespeistem Signal zu durch den Schirm abgestrahltem Signal dar.

Jonas Rumold

Jonas Rumold ist Junior Development Engineer in der Hochfrequenzentwicklung von MD ELEKTRONIK. Sein Aufgabengebiet bezieht sich auf Hochfrequenz-Messgeräte, Messverfahren, Auswertung von geschirmten und ungeschirmten Hochfrequenz-Datenleitungen und den aktuellen Standards zur Datenübertragung aus dem Automotive-Bereich.